Mittwoch, 13. Januar 2016

Cogito ergo es

Du kannst nichts. Nichts erreichen. Erreichen ist nur für Leute, die etwas können. Können lässt erreichen. Aber du kannst nichts erreichen.
Du läufst diese Straße entlang. Rechts von dir- Elend. Links von dir-Zerstörung. Vor dir- nichts. Hinter dir: zu viel. Du: Nichts und trotzdem alles. Wenn du dich umsiehst, sieht man die Leere in deinen Augen. Eigentlich sieht man viel mehr. Liebe. Angst. Wut. Entsetzen. Hass. Schrecken. Freude. Du hast zu viel gesehen. Mischt man alle Farben, kommt heraus kein Regenbogen. Sondern ein stumpfes Grau. Deine Augen sind ein Sumpf, was du gesehen, gefühlt, erlebt hast, ergibt eine gähnende, alles verschlingende Leere.
Warum gehst du? Wohin gehst du? Hast du doch keine Heimat mehr. Bist du? Du bist... da? Wo? Hier, du läufst die Straße entlang. Dein Blick huscht umher, hektische Bewegungen, unruhig, panisch. Sag, wovor hast du Angst? Was kannst du noch verlieren- nichts, wer nichts hat, hat nichts zu verlieren. Läufst ein wenig zu schnell, um ruhig zu sein. Läufst ein bisschen zu langsam, um in Panik zu fliehen. Du bist die Überlappung der Zustände- oder wer bist du, wer? Kann man antworten, so, wie du da lang läufst? Deine Haare sind nicht lang und nicht kurz. Etwas zwischen blond und braun. Du bist mager, so, als hättet du schon länger zu wenig gegessen. Deine Kleidung, die sicherlich einst modisch war, ist ein wenig zu weit, um dir zu passen. Du könntest ein androgynes Wesen sein, wären da nicht diese zwei Ausbeulungen unter deinem Kleid. Du hast also zu wenig gegessen, und das zu lange. Weswegen? Du kannst nicht arm sein- gewesen sein, denn ob du bist, ist eine andere Frage, du trägst Brillanten und Saphire. Was mag dir zugestoßen sein- warum stolperst du durch die Straßen, ohne Ziel? Du bist ein Opfer. Opfer des Täters. Täter des Opfer Seins. Gefangen in dir selbst. Zeitbombe? Du. Siehst nichts, siehst alles. Lebst still, während du vor Lärm zerspringst. Fühlst dich leer, während Gefühle dich hinwegspülen. Hörst hintergründig Rauschen, wo anderen die Ohren schmerzen, und wenn es still ist, kommen sie, die Stimmen, derer, die du geliebt hast, als du warst. Und du stirbst, aber kannst du sterben, wenn du tot bist, nicht bist, nirgends bist? Wer bist du, einen Fuß vor den anderen setzend, ohne zu begreifen, was dich treibt? Und wenn du bist, wer bist, etwas bist, wer warst du nur davor? Warst du nicht glücklich, einst? Ich weiß, dass du alles hattest. Glück, Erfolg, Liebe, Geld. War denn dein Leben nicht perfekt zu nennen? Wo ist es hin? Wo ist dein Erfolg, dein Geld- verschlungen, wo ist die Liebe, wo deine Familie- gestorben; wo ist dein Glück- verschwunden; was ist übrig- du, ja, aber bist du? Dein Leben zerstört, du zerschellt, und doch geblieben, was bist du? Alles. Alles, was übrig ist.
Bist du also dein Antrieb und dein Sein, oder nur Hülle ohne Inhalt? Wenn du, folglich, die Lebensintention deiner selbst bist, kannst du das vertreten, bist du das wert? Ist dein Egoismus nicht impertinent? Wo lässt du dich rechtfertigen, und wie kannst du existieren, ohne rechtfertigt zu sein?
Kannst du nicht, aber da bist du, du läufst die Straße entlang, und es gibt dich nicht bloß, ich denke, du bist. Cogito ergo sum? Cogito ergo es. Mensch bist du. Kannst nicht anders, und wärst du tot, so hofftest du noch immer zu sein, denn so sagt es die Natur, die du bist, kannst also doch nicht wider dir, denn du bist ja- Du. So ist es eben.
Es ist. Du bist.

Samstag, 19. Dezember 2015

Nebel

Irre
Mein Freund, hinfort
Und immer weiter
Durch den Nebel
Und grüß von mir den Nebellord...

Ist das ein Baum? Ein Stein, ein Strauch?
Vermagst es nicht zu sagen.
Laufe, weit, sieh nicht zurück
Du willst es gar nicht sehen.
Das möchtest du nicht wagen

Tritt nicht daneben.
Acht auf deinen Schritt
Verlier den Pfad, du bist verloren.
Ach, wär doch nur der Nebel weg
Willst du das?

Dann sieh, ich nehm ihn dir
Du selbst hast ihn geschaffen
Sieh dich um, mein Freund
Und erkenne, was du tust.
Ich hoff', du bist zufrieden
Du Nebellord.

Hinfort mit deiner Illusion.
Dann sei doch glücklich

Freitag, 4. Dezember 2015

Dezember...?



Hallo Dezember, ich will dir was sagen
Nein, vielmehr möchte ich eigentlich fragen:
Wo bist du geblieben? Ich sehe dich nicht.
Du schneist mir nicht gerade direkt ins Gesicht.
Ich hatte da irgendwie mehr erwartet.

Seit Monaten schon denk ich an dich,
Ich hatte mich so sehr gefreut.
Schnee würd' es geben, sicherlich
In dieser besinnlichen Zeit.
Hatte ich gedacht.

Nun ist da kein Schnee, null Besinnlichkeit
Nur Kälte und Regen und Wind.
Vielleicht hab ich nicht genug Findigkeit,
Bin vielleicht schon nicht mehr genug Kind.
Aber daran liegt es nicht.

Liebster, nach dir sehn' ich mich so sehr.
Doch es war wohl zu viel verlangt.
Du bist ein November. Gar nicht mehr.
Das habe ich jetzt erkannt.

Ich such dich in allem, was ich seh'
Und dass ich nichts finde, tut mir weh.
Vielleicht liegt's an mir?
Denn ich sitze nur hier
Und weine dir hinterher.

So geht's nicht weiter, so gar nicht heiter.
Weihnachten schaffe ich auch allein!
Dann soll es wohl so sein.

Danke Dezember, du hast mir gezeigt-
Ich bin mir die beste Besinnlichkeit.
Und du hast Recht.

Mittwoch, 11. November 2015

Leer

Und ich sauge alles auf
Denn meine Worte sind nicht mehr
Es nahm das Schicksal seinen Lauf
Das alles ist unfassbar schwer
Leer, so leer

Und die Worte sind verbraucht
Es gibt nichts mehr zu sagen
Doch- 's ist das Herz, es faucht:
Schrei! Schreib! Komm- du musst
weiter fragen!
Leer, so leer
Ich will so sehr
Einfach gehen, und es geht nicht.

Blei drückt mich behäbig nieder,
Das durch meine Adern fließt
Und vielleicht kehrt es nie wieder!-
Dass mein Herz sich so ergießt
Wie dieses eine Mal, denn es ist
Leer, so leer

Und man lese tausend Worte
Alle von der gleichen Sorte
Nur um eines auszudrücken
Doch es wimmelt so für Lücken
Am Wendepunkt ist es zu spät
Aus alt wird neu
Aus voll wird leer

Oh mein armes Scherbenherz
Noch gestern glühtest du vor Schmerz.
Heute liegst du auf dem Boden
In dir kann gar kein Sturm mehr toben.

Denn die Toten ruhen in der Leere


Sonntag, 11. Oktober 2015

Glücklicher

All das ist sehr ockerlastig. Kein strahlendes Ocker, eher eins, das durch herrlichen Dreck gezogen worden ist. Risse zieren Wände, mal hier, mal dort. Ob renoviert oder naturbelassen, die Schönheit der Bauwerke in den Wohnvierteln bleibt in jeder Form: Ein Rest, ein heiliger Rest schmackhaften sowjetischen Einheitsbreis. Auf, Genosse, Kamerad, -oh, gendern nicht vergessen- Genossin, Kameradin, ja, ihr seid gemeint: Mag dir auch der Putz von den Wänden bröckeln, mag auch dein Fenster in Scherben liegen und mag auch die Heizung erst am 10. Oktober sich herablassen, zu funktionieren- sei guten Mutes, freue dich deines Landes, liebe deine Stadt! Liebe die Schlaglöcher in den Straßen von Kiew, die dich auf der Fahrt unterhalten, liebe die grauen, braunen Bäume in den Parkversuchen vor den Häusern! Hässlich sind sie, sagst du, tot? Naivling! Siehe, sie erfüllt der einzig wahre Geist, den schöntuerischen und eitlen Individualismus bekämpfen sie mit ihrer vorbildlichen Farblosigkeit. Komm schon. Liebe deine Stadt. 
Lies dies- lies es und gib die einzig richtige Antwort: "Welch Idiot hat dies verfasst? Wir sind doch glücklich, glücklicher als er."